Eine lebendige Stadtteilkultur ist nicht alleine ein Wert an sich – die Stadtteilkultur ist wichtig für Hamburg, weil sie Kultur mit demokratischen Werten verbindet und so – oftmals spielerisch – mit den Mitteln der Kultur auf soziale Zusammenhänge einwirkt.
Die Einrichtungen, Projekte und Initiativen der Stadtteilkultur erfüllen viele wichtige Funktionen in der Gesellschaft, sie sorgen für den Zusammenhalt der internationalen Stadtgesellschaft gerade in einer Zeit, in der die sozialen Unterschiede immer weiter wachsen. Die Stadtteilkultur orientiert sich an einem Gerüst von Werten, das zwar nicht als ein allgemeiner Wertekanon der Orientierung dient, aber gleichwohl die besondere Qualität stadtteilkultureller Arbeit auszeichnet, weil diese Werte der Stadtteilkultur immanent sind.
In dieser Jubiläumsausgabe des stadtkultur magazins wollen wir diese Qualitäten besonders herausarbeiten und durch Beispiele einzelner Projekte verdeutlichen, die stellvertretend für die hohe Qualität und gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit der Stadtteilkultur in ganz Hamburg stehen.
1. KULTURELLE TEILHABE – Kultur von Allen für Alle
Stadtteilkultur ist generationsoffen, milieuübergreifend und inklusiv.
Stadtteilkultur bietet kulturelle Teilhabe für Menschen aller Altersgruppen, aller sozialen und kulturellen Hintergründe – auch unter schwierigen Bedingungen. Sie ermöglicht durch niedrigschwellige und bezahlbare Veranstaltungen, Kurse und Workshops, Kulturprojekte und Gruppenangebote verschiedenste Zugänge zu Kultur für möglichst viele Menschen und aktiviert sie zu eigenem kreativen und künstlerischen Handeln.
So bringt das „Wüstenschiff“ – ein Zusammenschluss von 16 Stadtteilkultureinrichtungen – kostengünstiges Kindertheater in Hamburgs Stadtteile und das Buffet der Kulturen im ella Kulturhaus einen ganzen Stadtteil an einen Tisch. Die inklusive Veranstaltungsreihe „grenzenlos“ der Begegnungsstätte Bergstedt verbindet seit 15 Jahren Menschen in den Walddörfern durch Kultur.
2. LOKALE KULTUR – Kultur direkt vor Ort
Ausgehend von den Bedarfen vor Ort thematisiert, bespielt und inszeniert Stadtteilkultur das Quartier und schafft so Nachbarschaft.
Stadtteilkultur weckt Interesse für die nähere Umgebung, bezieht die Bewohner ein und macht den Stadtteil zum Objekt des eigenen Engagements und der eigenen Kreativität. Sie stärkt dadurch die Identifikation mit dem Stadtteil, erhöht die Lebensqualität im Quartier und beteiligt die Bewohner aktiv an der Entwicklung ihres Stadtteils. Stadtteilkultur bietet und gestaltet Freiräume für das Selbermachen und Aktivwerden, für Begegnung und Austausch. Mit der historischen Auseinandersetzung vor Ort stärkt sie das Geschichtsbewußtsein und arbeitet an einer neuen Erinnerungskultur.
Auf St. Pauli macht die GWA St. Pauli seit Jahren den Stadtteil mit ihren partizipativen Theaterprojekten regelmäßig zur Bühne, die MOTTE bietet durch ihre Projektarbeit im Stadtteil „Freiräume für Hühner, Pflanzen und Menschen“ und der „Pfad der Entdeckungen“ der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen macht Stadtteilgeschichte am Veringkanal sichtbar.
3. KULTURELLE BILDUNG – Chancen schaffen, Nachwuchs fördern
Stadtteilkultur ermöglicht durch kulturelle Bildungsangebote eine gemeinsame und lebenslange Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur.
Stadtteilkultur kooperiert dabei als lokaler Experte und Erziehungspartner mit Schulen und anderen Akteuren und entwickelt die lokale Bildungslandschaft mit. Kulturelle Bildung verbessert Bildungschancen und fördert unentdeckte Potenziale. Werdende Künstler erhalten Qualifizierungen und Freiraum zur Entfaltung und zum Ausprobieren.
Die Jugendredaktion des Projektes Stadtteilwelten berichtet multimedial und medienpädagogisch angeleitet aus Barmbek, das KIKU Kinderkulturhaus arbeitet an Bildungsgerechtigkeit durch kulturelle und sprachliche Bildung und das Amateur-Theater-Performance-Festival NISCHENGOLD des Goldbekhauses bietet dem Nachwuchs eine Bühne und ein kulturelles Qualifizierungsprogramm.
4. KULTURELLE VIELFALT – Internationale Stadtgesellschaft und Interkulturelle Öffnung
Stadtteilkultur spiegelt die ganze Vielfalt der Kulturen unserer internationalen Stadt und bindet sie auf allen Ebenen ein.
Stadtteilkultur macht die kulturelle Vielfalt der Gesellschaft erlebbar und offenbart ihre Potenziale. Sie schafft mit den Mitteln der Kultur neue Identitäten – jenseits sozialer und herkunftskultureller Zuschreibungen. Interkulturelle Öffnung ist nicht nur ein Schlagwort, sondern eine Aufgabe, an der auf allen Ebenen – von der Gestaltung des Programms über Personalstruktur bis zur Zusammensetzung des Publikums – gearbeitet wird. Sie wird so zur selbstverständlichen Praxis und zum Modell für andere Bereiche der Gesellschaft.
Das Musikfestival 48h Wilhelmsburg macht jeden Sommer den Stadtteil für seine Bewohner zur Festivalbühne und präsentiert die Vielfalt des Quartiers. Die W3 arbeitet seit Jahren am Thema interkulturelle Öffnung von Kultureinrichtungen und berät andere Institutionen in diesem Prozess.
5. VERNETZUNG – Vor Ort verankert
Stadtteilkultur initiiert, entwickelt und stärkt regionale Netzwerke und realisiert Kooperationen weit darüber hinaus.
Die Stadtteilkultur bringt Partner aus unterschiedlichen Bereichen z.B. Kultur, Soziales und Bildung zusammen und vernetzt vor Ort – stadtweit, deutschlandweit und international. So werden Dialoge gefördert, belastbare Partnerstrukturen etabliert und Kooperationen umgesetzt.
Der Kultur Palast Hamburg knüpft mit seinen Kulturprojekten strategische und clevere Netzwerke – lokal und international. Das Kulturforum Hamburg-Nord ist ein regionales Netzwerk von Kultureinrichtungen und Künstlern, die im Bezirk Hamburg-Nord arbeiten.
6. MITGESTALTUNG UNSERER STADT – Beteiligen und Engagieren
Stadtteilkultur gestaltet die Zukunftsfähigkeit und den Zusammenhalt unserer demokratischen Gesellschaft mit und ist ein gesellschaftlicher Lernort, an dem sich Menschen freiwillig für das Gemeinwohl engagieren.
Stadtteilkultur wirkt, weil sie Kultur mitten in der Gesellschaft und mitten aus der Gesellschaft ist. Sie stärkt die demokratischen Werte und den sozialen Zusammenhalt, weil sie nah an den Menschen ist und sie beteiligt. Bürgerschaftliches Engagement verbessert die Kontakte zwischen Menschen und Einrichtungen, trägt zur Vertrauensbildung bei, stärkt und bereichert die Kultur, den Stadtteil und die demokratische Gesellschaft.
Bei „Dialog in Deutsch“ leiten Ehrenamtliche Gesprächsgruppen für Zuwanderer und über den Bundesfreiwilligendienst „Kultur und Bildung“ können sich Freiwillige in Kultur- und Bildungseinrichtungen engagieren.