Seit gut 50 Jahren fördern und gestalten die Einrichtungen, Initiativen und Projekte der Soziokultur das Zusammenleben in den Quartieren, sie gewährleisten kulturelle Teilhabe, ermöglichen Begegnung, bringen Bildungsgerechtigkeit und Chancengerechtigkeit voran. Das soll auch weiterhin möglich sein: Deshalb fordert STADTKULTUR HAMBURG von der Hamburger Politik eine Stärkung der Hamburger Stadtteilkultur.
Die Hamburger Stadtteilkultur ist geprägt durch den Geist der Offenheit, des Austauschs und der Vielfalt. Die Stadtteilkultur wirkt mit Kultur und Kultureller Bildung gegen Ausgrenzungs- und Abgrenzungstendenzen, gegen Angst, Hass und Verunsicherung, für Demokratie und eine Offene Gesellschaft. Sie gestaltet ein Umfeld, in dem das Zusammenleben besser gelingt. Die Stadtteilkultur und ihre Einrichtungen sind Experten darin, Menschen in Entscheidungsprozesse einzubinden, Barrieren zu mindern, Beteiligung zu gestalten, Brücken zu bauen und Bündnisse zu schmieden. Sie sind Labore für Demokratieentwicklung und Orte der Diskurse, in denen Chancen und Teilhabe künstlerisch verhandelt werden. Sie sind selbst in dauernder Bewegung, verändern sich durch interkulturelle Öffnung und erfinden passende Organisationsmodelle für neue Herausforderungen. Wer sich in der Stadtteilkultur engagiert oder ihre Angebote nutzt, kann vielfältige Erfahrungen von Selbstwirksamkeit erleben. Die Einrichtungen und Initiativen der Stadtteilkultur verfügen über ein Potenzial, das für den Transformationsprozess der Stadtgesellschaft von dauerhaft großem Wert ist.
Um dieses Potenzial optimal und nachhaltig weiter entwickeln zu können, muss die Stadtteilkultur nachhaltig so ausgestattet werden, dass sie aktuellen und künftigen Aufgaben stabil begegnen kann.
1. Zusammen wachsen braucht Förderung
2. Bezirke müssen dauerhaft mit Quartiersfonds helfen können
3. Freiwilliges Engagement darf nicht an mangelnder Unterstützung scheitern
4. Digitale Transformation der Stadtteile muss gestaltet werden
5. Anpassung der Förderung muss tatsächlicher Kostensteigerung entsprechen
6. Stadtteilkultur muss nachhaltig entwickelt werden durch Startförderungen
7. Erhöhte Betriebskosten mitdenken
8. Versprochen ist versprochen: Kulturelle Bildung und Schule verbinden
1. Zusammen wachsen braucht Förderung
Anders als viele Teile Deutschlands verzeichnet Hamburg stetig steigende Einwohnerzahlen – und die Bevölkerung wird bunter. Schon heute verfügen in Hamburg über 50% der Bewohner*innen unter 18 über einen sogenannten Migrationshintergrund. Zwischen den Gruppen müssen Brücken geschlagen werden und neue Quartiere brauchen soziokulturelle Versorgung. Doch kulturelle Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit sind für viele Menschen noch immer in weiter Ferne.
Die Stadtteilkultur verbindet Kulturen, schafft Teilhabe statt Ausgrenzung, erfüllt demokratische Werte mit Leben und fördert konstruktive Diskurse. Sie eröffnet Wege zu einer inklusiven Gesellschaft der Vielfalt, die jede und jeder mit eigenen Stärken, Interessen und Welt-Sichten mitgestalten kann. Transkulturelle und interkulturelle Arbeit sind jahrelange erfolgreiche Praxis in den Einrichtungen der Stadtteilkultur. Ihr sind zuletzt viele neue Aufgaben zugewachsen, ihre Besucherzahlen sind gestiegen und es konnten Strukturen aufgebaut werden, die nur weiter genutzt werden können, wenn sie Unterstützung erhalten.
Hier muss aus öffentlichen Mitteln – auch der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration – sichergestellt werden, dass die Stadtteilkultureinrichtungen ihre immer stärker nachgefragten Projekte gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft dauerhaft und nachhaltig umsetzen können, ihre Strukturen als offene Orte des kulturellen Engagements in der superdiversen Stadtgesellschaft weiter entwickeln und nicht zuletzt Diversity und Mehrsprachigkeit im Team weiter wachsen können.
2. Bezirke müssen dauerhaft mit Quartiersfonds helfen können
Der Quartiersfonds in den Bezirken hat in den letzten Jahren in vielen Fällen dort Hilfe geleistet, wo diese besonders dringend gefordert und eine Förderung aus anderen Töpfen nicht möglich war. Damit diese Unterstützung weiterhin möglich ist, muss der Quartiersfonds verstetigt werden und in allen Bezirken der Stadtteilkultur zur Verfügung stehen.
3. Freiwilliges Engagement darf nicht an mangelnder Unterstützung scheitern
In Hamburger Kultur- und Bildungseinrichtungen engagieren sich derzeit über 70 Menschen als Bundesfreiwillige und erhalten parallel eine bedarfsangepasste Fortbildung, die ihnen während ihres Freiwilligendienstes und bei der Orientierung auf dem Arbeitsmarkt hilft. Diese Freiwilligen, fast die Hälfte von ihnen Geflüchtete, leisten einen kaum zu unterschätzenden Beitrag für ihre Einsatzstellen. Der Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung wird von der Stadt Hamburg bisher nicht unterstützt. Die Sondermittel des Bundes für den Einsatz Geflüchteter im Bundesfreiwilligendienst werden ab 2019 abgeschafft. Damit ist der BFD Welcome massiv gefährdet. Deshalb müssen die Einsatzstellen um einen Teil des Einsatzstellenbeitrages entlastet, STADTKULTUR HAMBURG als Träger unterstützt und die fehlenden Sondermittel kompensiert werden.
4. Digitale Transformation der Stadtteile muss gestaltet werden
Die digitale Transformation unserer Gesellschafft bringt Chancen und Risiken mit sich. Die Veränderungen in den Stadtteilen durch die Digitalisierung müssen begleitet, die Verbindung von analogen und digitalen Treffpunkten muss geschaffen, der Umbruch gestaltet werden. Stadtteilkultureinrichtungen sind dafür ideale Partner. Insbesondere jüngere Zielgruppen werden nur noch selten auf analogen Wegen erreicht. Ohne einen sinnvollen Einsatz digitaler Medien werden Chancen für die kulturelle und demokratische Bildung verspielt. Die Stadtteilkultur braucht umfassende Unterstützung bei der Digitalisierung ihrer Angebote und ihrer Organisationen und sie muss ihre Infrastruktur, die in die Jahre gekommen ist, erneuern und erweitern. Für die Begleitung und Beratung der Einrichtungen bei der digitalen Transformation sollten gebündelte Kompetenzen im Dachverband geschaffen werden, die auch Datenschutzaufgaben übernimmt, um effizient und kompetent zu agieren. Neben den Ressourcen für die Erneuerung und Ergänzung der digitalen Infrastruktur der Stadtteilkultur werden Mittel für Fortbildungen der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter benötigt.
5. Anpassung der Förderung muss tatsächlicher Kostensteigerung entsprechen
2017 ist es nach acht Jahren erstmals gelungen, die Rahmenzuweisung Stadtteilkultur zu erhöhen. Wir freuen uns über diese Anerkennung der stadtteilkulturellen Arbeit. Doch die Erhöhung deckt nur einen Teil der gestiegenen Kosten 1. Zudem kommt die Erhöhung bei vielen Häusern nur in sehr geringem Umfang an, da gleichzeitig Einrichtungen in den Bezirken neu in die Förderung aufgenommen wurden und die Bezirke im Rahmen der Feinspezifikation eigene Akzente setzen. Die dynamische Anpassung der institutionellen Förderung von 1,5 % liegt unter der realen Steigerung der Kosten z.B. durch Tariferhöhungen und reicht nicht aus, um vorhandene Strukturen zu erhalten und den Programmauftrag weiterhin ohne Einschränkungen fortsetzen zu können. Daher muss bei einer dynamischen Erhöhung, die als Kostenausgleich gedacht ist, die tatsächliche Entwicklung der Gesamtkosten als Berechnungsgrundlage herangezogen werden, damit die Stadtteilkultur nicht immer weiter aushungert.
6. Stadtteilkultur muss nachhaltig entwickelt werden durch Startförderungen
In den Quartieren gibt es viele engagierte Menschen, die mit neuen, kreativen Initiativen kulturelle Angebote schaffen und damit Bedarfe in den Stadtteilen decken. Die Förderung dieser Initiativen ist ein wichtiges Element für kulturelle Teilhabe und kulturelle Bildung in der Stadt. Um aufwachsendes kulturelles Engagement nachhaltig zu entwickeln, bedarf es eines fachlichen Monitorings und einer langfristigen Regelung der Kosten. Dies darf nicht zu Lasten der Rahmenzuweisung gehen, sondern dafür müssen neue Etats gebildet werden.
7. Erhöhte Betriebskosten mitdenken
Eine Reihe von Einrichtungen der Stadtteilkultur konnte in den letzten Jahren vergrößert werden und erhielt damit die Chance, auch ihr Angebot zu erweitern. Eine größere Fläche für Veranstaltungen zieht jedoch höhere Kosten nach sich, z.B. für erhöhte Sicherheitsmaßnahmen, Brandschutz, teurere Klimatechnik, Reinigungskosten oder erhöhten Aufwand für Vermietung. Ein Ausgleichsfonds für eine Anschubfinanzierung nach einer Erweiterung könnte hier helfen, bis die erwartete Umsatzsteigerung erreicht wird. Die konkrete Höhe der Anschubfinanzierung richtet sich nach der Größe der Einrichtung und den Bedingungen vor Ort und muss mit spezifisch ermittelt werden.
8. Versprochen ist versprochen: Kulturelle Bildung und Schule verbinden
Für qualitätsvolle kulturelle Bildung an Schulen wurde im Koalitionsvertrag die Zusage gemacht, einen Fonds Kultur und Schule zu schaffen. Dieses Versprechen muss dringend eingelöst werden. Hier müssen mindestens eine Million Euro zur Verfügung gestellt werden, die nicht in die Schulen, sondern in die Kultureinrichtungen für Kooperationsprojekte mit Schulen fließen.
Die Stärkung der Stadtteilkultur ist eine Investition in die Zukunftsfähigkeit einer weltoffenen internationalen wachsenden Stadt und deren Lebensqualität – für alle ihre Bewohner*innen und deren Besucher*innen.
1 Die Erhöhung der Rahmenzuweisung betrug jeweils 400.000 Euro in 2018 und 2019. Ab 2019 soll die Rahmenzuweisung jährlich dynamisch um 1,5% erhöht werden. Der Verband hatte 2016 errechnet, dass der Bedarf der Stadtteilkultur bei einer Erhöhung von 3,9 Millionen Euro lag. Zugrunde gelegt war eine Kostenentwicklung seit der letzten Erhöhung um durchschnittlich 3,5 Prozent pro Jahr, dies entspricht einem Bedarf von 1,8 Millionen, und ein zusätzlicher Bedarf durch höhere Betriebskosten, Sicherheitsauflagen etc., mehr Personal und neue Aufgaben und für die Verstetigung langjähriger erfolgreicher Projekte in Höhe von 2,1 Millionen Euro. Es klafft also noch immer eine Lücke von 3,1 Millionen Euro in der Rahmenzuweisung, die nicht geschlossen wurde und sich bei einer dynamischen Anpassung um 1,5% jährlich weiter erhöhen wird.