Bildungs- und jugendpolitische Fehler im Lockdown dürfen nicht wiederholt werden. Kooperationen von Schule und Kultur müssen gestärkt werden. Kinder und Jugendliche brauchen in derart belastenden Zeiten wie der Corona-Krise neben einer schulischen Grundversorgung kulturelle Freiräume, um sich zu positionieren.
Innerhalb der letzten 15 Jahre wurden für mehr Teilhabe- und Bildungsgerechtigkeit kulturelle Bildungslandschaften und der Ganztag aufgebaut. Im Zuge des Lockdowns wurden diese Kooperationen weitestgehend eingestellt und aufgrund angeordneter Beschränkungen bis heute nur geringfügig wiederbelebt. Gut ein halbes Jahr nach Beginn der Corona-Krise sind Kinder und Jugendliche daher in ihren Rechten auf Teilhabe, Beteiligung und kulturelle Bildungsmöglichkeiten noch immer weitgehend beschnitten, ihre diesbezüglichen Interessen bleiben von der politischen Tagesordnung verschwunden.
Die Möglichkeiten, mit Gleichaltrigen gemeinsam kreativ zu sein – ob tänzerisch, erzählend, gestaltend, spielend etc. − und sich dabei mit dem Erlebten und den Veränderungen aktiv auseinanderzusetzen, sich zu positionieren, sind stark eingeschränkt. Weder das Stattfinden künstlerischer Schulfächer noch kulturelle Bildungsangebote im Ganztag oder in außerschulischen Kontexten sind aktuell in relevanter Größenordnung gesichert.
Dabei hätte die Chance der Bildungslandschaften in Krisenzeiten – auch räumlich – im Rückgriff auf außerschulische kulturelle Bildungsorte liegen können. Angesichts der aktuellen Verschärfung der Pandemie gilt es unbedingt zu vermeiden, dass die Erfahrungswelten von Kindern und Jugendlichen wieder komplett nach Hause oder in ausschließlich digitale Lösungen verlagert werden. Viele Kinder und Jugendliche werden dadurch abgehängt.
„Zeit wurde verschenkt, um Modelle zu entwickeln, die über Beschulung in kalten Klassenzimmern hinausgehen und die Bildungslandschaft als Ganzes in den Blick nehmen. Gemeinsame und kreative Lösungen, im Sinne einer analog-digitalen Bildungslandschaft, müssen jetzt schnell gefunden und alle Ressourcen und Expertisen genutzt werden. Das erfordert auch die Zusammenarbeit von Jugend-, Bildungs- und Kulturpolitik – mit Mut und Weitsicht.“
Prof.in Dr.in Susanne Keuchel, Vorsitzende der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)
Das Zusammenwirken der Träger von Bildung, Erziehung und Betreuung muss dafür neujustiert werden, vorhandene Erfahrungen mit Vernetzung müssen zwingend genutzt und Kooperationen im Sinne einer Bildungslandschaft verstetigt werden.
Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) fordert daher:
- an den bisher erzielten Erfolgen im Aufbau von Kooperationen und Bildungslandschaften wieder anzuknüpfen und diese nicht in der Corona-Krise unwiderruflich zu verspielen;
- die außerschulischen Bildungsorte räumlich und fachlich in Pandemiezeiten gezielt zu nutzen und einzubinden, um Kindern und Jugendlichen außerhäusliche Bildung zu ermöglichen;
- die außerschulischen Bildungsorte in ihren Strukturen entsprechend zu stärken
- und so auch kulturelle Erfahrungen und Ausdrucksmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Krisenzeiten zu gewährleisten.
Kulturelle Bildung ist dabei ein wichtiger Akteur, denn die Angebote schaffen Räume, die Kindern und Jugendlichen Teilhabe und Partizipation ermöglichen. In gemeinsamer Verantwortung von Staat und Gesellschaft, Schule und außerschulischen Partnern gilt es jetzt eine nachhaltige Politik für eine offene, partizipative und vernetzte analog-digitale kulturelle Bildungslandschaft in Schule und Sozialraum zu verankern.