Erklärung des Präsidenten der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. zu den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene

Die Kulturpolitische Gesellschaft e. V. sieht die demokratische politische Kultur in Gefahr. Der Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft Tobias J. Knoblich formuliert stellvertretend in zehn Punkten seine Erwartungen an die Bundesregierung.

Populistische und autokratische Tendenzen, die unter der Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump sichtbar wurden, haben auch in Deutschland und Europa besorgniserregende Auswirkungen auf die politische Kultur. Es wird bereits von einer zweiten „Zeitenwende“ gesprochen, die die Grundlagen unserer Demokratie erschüttert. Die Kulturpolitische Gesellschaft ruft dazu auf, dass die Kulturszene gemeinsam gegen politische Rückschritte eintreten soll. Kunst und Kultur spielen eine zentrale Rolle bei der Stärkung der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Daher appelliert die Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. an die Kulturpolitik auf Bundesebene, Kunst und Kultur gezielt als demokratiestärkende Kräfte zu fördern.

So fordert die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. unter anderem in ihren Punkten:

Eintreten für Vernunft und Menschlichkeit

Demokratische Kulturpolitik ist den Werten der europäischen Aufklärung verpflichtet. Humanität, Freiheit und Rationalität sind ihre essentiellen Prinzipien. In einer Zeit, in der Vernunftverachtung in rechten, aber auch in linken Kontexten zum Vorschein kommt, sind diese Werte umso mehr in Erinnerung zu rufen. Auch wenn Bundeskulturpolitik dazu in einem operativen Sinne kaum etwas beitragen kann, so sind doch die im Bundestag vertretenen Parteien aufgefordert, ihre kulturpolitischen Programmatiken daraufhin zu überprüfen. Ohne Vernunft und Menschlichkeit hat auch die Freiheit der Kunst keine Chance.

Integration als kulturelle Herausforderung ernstnehmen

Es gehört zu den Grundüberzeugungen demokratischer Kulturpolitik, dass Kultur ein Medium innergesellschaftlicher Verständigungsprozesse sein kann. Angesichts der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft und in Kenntnis der antisemitischen und fremdenfeindlichen Ausschreitungen und Gewalttaten ist Kulturpolitik umso mehr aufgerufen, das Potenzial der Kultur als Toleranz- und Integrationsfaktor ernst zu nehmen. Desintegration und Dekonstruktion sind keine Lösungen. Die Gewährleistung kultureller Diversität ist keine Frage ideologischer Bekenntnisse und kein Selbstzweck, sondern eine Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in unserem Land. Der Bund sollte integrative Prozesse durch geeignete Programme fördern.

Nichtstaatliche demokratische Organisationen stärken

Öffentliche Kulturpolitik ist nicht nur eine staatliche Aufgabe. Vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen wirken daran erheblich mit. Eingedenk der gegenwärtigen disruptiven Politik gegenüber NGOs in den Vereinigten Staaten sind diese Strukturen in Deutschland zu schützen und auszubauen. Im Handlungsfeld der Bundeskulturpolitik gilt dieses vor allem für die Kulturverbände und für die Bundeskulturfonds. Ihr Wirken sollte gestärkt werden, anstatt sie durch eine „Kleine Anfrage“ zur politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen zu verunsichern. Wer kann und darf sich angesichts der aktuellen Gefährdungen der Demokratie neutral verhalten?

Kultureinrichtungen klimafreundlich ausgestalten

Obwohl die Klimakrise aus dem Fokus der Politik geraten scheint, bleibt sie virulent und bedrohlich. Sie hat nichts von ihrer Dramatik verloren, auch wenn viele Menschen sie verleugnen oder verdrängen. Der CO2-Ausstoß muss verringert werden, und dies muss jetzt geschehen. Nach wie vor gilt es daher, die kulturelle Infrastruktur- und Förderpolitik unter den Vorbehalt der Klimaverträglichkeit zu stellen. Auf Bundesebene sollte dafür Sorge getragen werden, dass die demnächst für Kultur zuständige Bundesbehörde das von der BKM im Jahr 2021 ausgegebene Ziel, bereits bis 2030 klimaneutral zu arbeiten, konsequent weiterverfolgt. Weitere Vorschläge sind den „Anregungen und Handlungsempfehlungen für die kulturpolitische Praxis“ zu entnehmen, die das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft im Rahmen des von der BKM geförderten Projektes „Nachhaltige und klimagerechte Kulturpolitik“ im Jahr 2023 als „Policy-Paper“ vorgelegt hat.

Künstler*innen sozial gerecht fördern

Künstlerinnen und Künstler sind eines der Fundamente des kulturellen Lebens. Ihr freies Gestalten ist Ausdruck der liberalen kulturellen Demokratie. Frei sind sie jedoch nicht nur vom Staat, sondern auch durch den Staat, indem dieser kulturfreundliche Rahmenbedingungen schafft und seine Förderungen sozial auskömmlich und fair gestaltet. Konkret geht es darum, die finanzielle Situation der Kreativen durch die Ausgestaltung der Künstlersozialabgabe abzusichern und die Verdienstmöglichkeiten der Solo-Selbständigen durch Mindesthonorare aufzubessern. Der Bund ist dazu vor allem bei seinen eigenen Förderungen angehalten.

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Auf: www.stadtkultur-hh.de

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